Seite wählen

p0es1s – postdigital

Ausstellung im Kunsttempel vom 14. September bis 15. Oktober 2017

Sprachkunst von Hannes Bajohr, John Cayley, Mara Genschel, Daniel Howe, Annett Höland, Megan Hoogenboom, Jean Keller, Sophia Le Fraga, Silvio Lorusso, Michael Mandiberg, Jörg Piringer, Paul Soulellis, Lisa Spalt, Stephanie Syjuco, Rui Torres, Traumawien, Martin Wecke

Mi., 13. September, 19 Uhr: Eröffnung
Silvio Lorusso (Rotterdam) im Gespräch mit Friedrich W. Block

Do. 14. September: Gespräch
mit den anwesenden Künstlerinnen und Künstlern zum künstlerischen Publizieren.

Do. 14. September, 19 Uhr: Sprachkunst-Präsentationen
von und mit Mara Genschel (Stuttgart), Jörg Piringer (Wien), Rui Torres (Porto)

In Kooperation mit dem PublishingLab an der Amsterdam University of Applied Sciences sowie der Stiftung Brückner-Kühner

Mit freundlicher Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Kassel und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst.

Im Rahmen einer Ausstellungsfolge zur Sprachkunst im documenta-Jahr 2017 (kasselkultur2017.de) veranstaltete der Kunsttempel in Kassel eine internationale Ausstellung mit dem Titel „p0es1s – postdigital“. Künstlerinnen und Künstler aus acht Ländern zeigten 16 aktuelle Positionen der Sprachkunst als Inszenierung des Post-digital Publishing Archive. Begleitet wurde die Ausstellung von einem Expertengespräch und einer darauf folgenden öffentlichen Veranstaltung am Donnerstagabend, den 14.09.17 um 19 Uhr, mit Sprachkunst von und mit Mara Genschel (Stuttgart), Jörg Piringer (Wien) und Rui Torres (Porto). Die Ausstellung eröffnete auch eine Reihe im Kunsttempel zum „Publizieren als Kunst“.

Zum Sprachkunst-Abend am 14. September, 19 Uhr

Jörg Piringer aus Wien zeigte unter dem Titel „kein buch“ in einer audiovisuellen Performance protoypische Experimente zu elektronischen poetischen Publikationsformen abseits von E-books und Web.

Mara Genschel (Stuttgart) hat, wie sie kommentierte, „versucht aus ‚Cute Gedanken‘ zu lesen“ – ein Buch mit Gedichten, die durch das amerikanische Korrekturprogramm eines Handys ‚dumm‘ bis ‚peinlich‘ beeinträchtigt wurden.

Rui Torres aus Porto stellte drei verschiedene, von ihm programmierte, kombinatorische Computer-Gedichte vor, die Text, Bild, Sound und Video verbinden.

 

Jörg Piringer – Mara Genschel – Rui Torres

Zur Ausstellung

Das Projekt, kuratiert von Friedrich W. Block, reiht sich in die seit 1992 unter dem Label p0es1s bzw. POESIS veranstalteten Ausstellungs- und Forschungsprojekte ein (www.p0es1s.net). Die Ausstellung im Kunsttempel greift nun aktuelle Ansätze der Sprachkunst auf, die unter dem Orientierungsbegriff ‚postdigital‘ verortet werden („a term that sucks but is useful“ – Florian Cramer):

  • Formen, die computertechnische und -kulturelle Bedingungen des Sprachgebrauchs reflektieren, dies aber unter Anwendung aller möglichen Medien;
  • Formen, die insbesondere den Wechsel von digitalen hin zu analogen Umsetzungen wie Druck und (Künstler-)Buch oder auch Schreibmaschine vollziehen, wobei das Changieren zwischen elektronischen und realen Räumen und das Miteinander von menschlichen und maschinellen Akteuren eine wichtige Rolle spielen;
  • Formen eines konzeptuellen und vermeintlich ‚unkreativen Schreibens’, die sich, oft mittels Computeralgorithmen, mit dem Ver- und Umarbeiten von vorhandenem Textmaterial beschäftigen; Publizieren und künstlerische Produktion fallen hier häufig in eins.

Für die Ausstellung wurde das von dem italienischen Medienkünstler und -wissenschaftler Silvio Lorusso unterhaltene Post-Digital Publishing Archive eingeladen, sich vom Internet (http://p-dpa.net) in den realen Raum des Kunsttempels zu erweitern. Ausgestellt wurden erstmals einige der im Archiv verzeichneten Buch- und Textobjekte. Zugleich haben wir einige Künstlerinnen und Künstler gebeten, neue Textobjekte bzw. Projekte für die Ausstellung beizusteuern, die wiederum Teil des elektronischen Archivs werden.

Einige Beispiele aus der Ausstellung:

Ein Leseraum hat verschiedene Printmaterialien zur Lektüre angeboten: John Cayley und Daniel Howe geben die englische Ausgabe von Samuel Becketts Roman „How It Is“ eins zu eins aus Internet-Zitaten wieder, die alle nicht von Beckett stammen. Becketts „Warten auf Godot“ hat Sophia Le Fraga dagegen zu einem Chat auf ihrem Smartphone verfilmt. Jörg Piringers „Unicode“ zeigt alle 49.571 in Computerumgebungen darstellbaren Zeichen, zum einen ausgedruckt als Flächentext, zum anderen nacheinander als Film. Michael Mandiberg hat an einem Tag im Jahr 2015 die komplette deutschsprachige Wikipedia digital kopiert und zu 3406 druckbaren Bänden kompiliert, von denen ein 700 Seiten starker Band für die Ausstellung gedruckt wurde.

Die anwesenden Künstler

Mara Genschel, geboren 1982 in Bonn, lebt in Stuttgart. Zu ihrem künstlerischen Spektrum gehören neben poetischen Publikationen auch Performances, Hörspiele, Textfilme und visuelle Poesie. Neben der „Referenzfläche“ (ein Produktions- und Publikationsprojekt, seit 2012) veröffentlichte sie „Tonbrand Schlaf“ (2008), „Vom Nachtalpenweg“ (mit V. Scherstjanoi 2009) sowie „Cute Gedanken“ (2017).

Jörg Piringer, geboren 1974, lebt in Wien. Er ist Mitglied des Instituts für transakustische Forschung sowie des Gemüseorchesters. Jörg Piringer hat einen Hochschulabschluss in Informatik und arbeitet als Radiokünstler, Lautpoet, visueller Dichter, Musiker und Performer.

Rui Torres, Jahrgang 1973, lebt als Künstler und Literaturwissenschaftler in Porto (Portugal). Seine digitale Poesie wurde international ausgestellt und in verschiedenen elektronischen Anthologien veröffentlicht. Er lehrt als Professor of Communication Sciences an der Fernando Pessoa-Universität und koordiniert das „Digitale Archiv für portugiesische experimentelle Literatur“ (www.po-ex.net).

Silvio Lorusso ist ein italienischer bildender Künstler und Designer sowie promovierter Medienwissenschaftler mit Wohnsitz in Rotterdam. Er war Teilnehmer von Ausstellungen und Festivals wie „Transmediale“ (Berlin), „Unlike Us“ (Amsterdam) oder „Fahrenheit39“ (Ravenna). Seit 2013 organisiert er im Internet das „Post-Digital Publishing Archive“.

Eindrücke von der Ausstellung
dokumentiert im Post-Digital Publishing Archive
finden sich >>> hier

 

Zur Reihe „Publizieren als Kunst“

Die Reihe widmet sich künstlerischen Positionen der Auseinandersetzung mit Prozess und Strukturen des Publizierens, die in der sich rasant verändernden Mediengesellschaft umfassend mit neuen Bedingungen zu tun haben. Der experimentelle und momentan heiß diskutierte künstlerische Umgang mit Publikationen kann bereits auf eine längere Geschichte blicken wie z.B. in experimenteller Poesie, Künstlerbuch und -edition oder Mail-Art. Dergleichen wird in aktuellen post-digitalen Ansätzen wieder aufgegriffen und fortgeführt.